Montag, 18. August 2014

Tag 20

Morgens E-Mail in Postfach. "Important stuff" und "a lot of things" hätten sich in meiner Uni-Unterlagen-Gruppe ereignet.


Bei Frühstück von diesen ganz aufwühlenden Neuigkeiten erholt. Sogar mit 2 Joghurts. Erstens, weil die Barista sehr lieb ist. Zweitens, weil die Joghurts heute ablaufen und ich später Frühstücker war (gab keine pains au chocolat mehr). Vorbereitung für THE ultimate Rilke experience: Pantherschauen im Jardin des Plantes.
Auf dem Weg Luftmatratze und Luftpumpe umgetauscht. Schlafsack kommt mit nach Hause, irgendwie. Hier gleich Bibliothèque François Mitterrand: 4 Türme, die an aufgeschlagene Bücher erinnern sollen, ein "tiefergelegter" Garten/Park/Wald im Zentrum.




Pariser Tram ist eigenartig. Die kommende Haltestelle wird erst von einer Frauenstimme als Frage angekündigt (etwa "Place d'Italie?"), dann kommt kurz eine Wohlfühl-Melodie, dann die Männerstimme als - - Bestätigung?! ("Place d'Italie!") Bei der folgenden Haltestelle fragt dann der Mann und die Frau wiederholt mit point d'exclamation. Am Gare d'Austerlitz steht Klavier, einfach so, zum Spielen.



Der Jardin des Plantes ist wunderschön. Ein großer, angelegter Park mit duftendem Blumenmeer, Kräutergärten, alten Gebäuden. Die Ménagerie ist der Zoo im Park. Auch hier Häuser schön anzusehen, Volieren in verschnörkelten, altmodischen Formen. Hat Charme.







Die Panther sind atemberaubend.
Das Gedicht:

Rainer Maria Rilke
»La Panthère / Der Panther«
Jardin des Plantes, Paris 

Son regard du retour éternel des barreaux 
s'est tellement lassé qu'il ne saisit plus rien. 
Sein Blick ist vom Vorübergehn der Stäbe 
so müd geworden, daß er nichts mehr hält.
Il ne lui semble voir que barreaux par milliers 
et derrière mille barreaux, plus de monde. 
Ihm ist, als ob es tausend Stäbe gäbe 
und hinter tausend Stäben keine Welt. 

La molle marche des pas flexibles et forts 
qui tourne dans le cercle le plus exigu 
paraît une danse de force autour d'un centre 
où dort dans la torpeur un immense vouloir. 
Der weiche Gang geschmeidig starker Schritte, 
der sich im allerkleinsten Kreise dreht, 
ist wie ein Tanz von Kraft um eine Mitte, 
in der betäubt ein großer Wille steht. 

Quelquefois seulement le rideau des pupilles 
sans bruit se lève. Alors une image y pénètre, 
court à travers le silence tendu des membres - 
Nur manchmal schiebt der Vorhang der Pupille 
sich lautlos auf - . Dann geht ein Bild hinein, 
geht durch der Glieder angespannte Stille - 
et dans le cœur s'interrompt d'être. 
und hört im Herzen auf zu sein. 





Andere Tiere. Im Affenhaus großer Hinweis, dass natürlicher Lebensraum bedroht aufgrund von Palmölproduktion. Dazu wird Trailer gezeigt: http://youtu.be/XYxqQODBfEo
Ich entdecke Tier mit zweifellos schönstem Namen, die chouette à lunettes.








Panther als Andenken gekauft (schwarz. Alles andere sah aus wie Tiger.). Panda auch.



Vom Gare d'Austerlitz fährt die M5 Richtung Charles de Gaulle Etoile die ersten Stationen oberirdisch. Fühlt sich fast an, als würde man die Fassaden entlang schweben (oder ich war nur unterzuckert da noch kein Mittagessen, dann nicht nachmachen). Zum Kurs.




Editer les romans en France + L'aventure du premier roman: Der Dozent ist jung, gut gelaunt und éditeur bei einem der großen französischen Verlagshäuser. Er erzählt, dass jährlich 5.000-6.000 Manuskripte eingeschickt werden. Veröffentlicht werden... eines bis zwei. Dozent sagt, das sei ganz französisch, da hier mehr Autoren als Leser. Er könne keine meine-Großmutter-während-des-Krieges-Einsendungen mehr lesen. Er informiert Autoren, falls Manuskript gefällt (bei Anruf sei crise cardiac pas loin), trifft ihn (geht zu 95% gut. Einmal hatte Dozent Manuskript als Komödie und Satire interpretiert, war aber gar nicht Absicht des Autoren, dieser verblüfft). Dann stilistische Überarbeitung (alle Adverben raus! Außer Proust, er darf.) und Verifizierung (Jahreszahlen, Straßen, Logik). Umschlaggestaltung wird entschieden. Besonderheit Frankreich: titres blancs, also weißes Cover. Gilt als chic, littéraire. Mögen Autoren, aber wird schlechter verkauft. Als Blickfang dann halt Umschlag oder Band. Falls nicht weiß, auf keinen Fall grün!! Grün geht gar nicht, ist unbequem fürs Auge.
Bücher werden immer in den letzten 10 Augusttagen veröffentlicht, da sie so für die großen Buchpreise ins Rennen gehen können: der wichtigste ist Prix Goncourt. E-Book nicht verbreitet hier, nur 1-2% der Verkäufe. Buchpreisbindung, deshalb amazon kein Frankreich-Fan. Falls sich Buch nach Erscheinen schlecht verkauft, hat es noch 4 weitere Leben: als Taschenbuch, Audiobuch, im Ausland (Korea übersetzt sonderbarerweise alles, was Frankreich hergibt), nach Erscheinen eines erfolgreichen Nachfolgers.



Les ménages français - de la consommation à l'épargne: Es geht um wirtschaftliche Bedeutung der privaten Haushalte in Frankreich. Davon gibt es 26,5 Millionen. 3/4 des gesamten Besitzes sind Immobilien. 14 Millionen Franzosen verschuldet. Können für Ruhestand nichts zur Seite legen. Lösung der Wirtschaftskrise hat er parat: Steuern runter, Reformen (sind unterwegs), Konsum fördern, Produktion passt sich auf antizipierte Nachfrage an und stellt Arbeiter ein. Inflation wird irgendwie umgangen. Neben dieser guten Nachricht die schlechte: Schokoladenpreise steigen bald ganz dramatisch, da Chinesen (mieten mittlerweile Reisfelder in Afrika) auch Schokolade essen wollen.


Churros - a paper bag full of happiness. Auf Rückweg absichtlich verlaufen und so das Val-de-Grâce entdeckt. Beeindruckender Platz. Kirche wurde von Anna von Österreich aus Dankbarkeit für Geburt des Sohnes (Louis XIV) beauftragt. Später genutzt als Militärhospital. Hier hängt Aufruf Charles de Gaulles zur Fortführung des Widerstands, publiziert London, 1940.








Baguette gekauft, zurück zur Cité.




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